Entwicklung des Beckumer Zementreviers

 


In keinem Teil Deutschlands ballte sich die Zementindustrie auf so engem Raum wie im ehemaligem Kreis Beckum, dem heutigen südlichen Kreis Warendorf. Im Mittelpunkt Westfalens, am Südrand der Westfälischen Bucht, entstand eine derartige räumliche Geschlossenheit dieses Industriezweiges, dass man durchaus hier den Begriff des „Reviers“ benutzen kann.

 

Heute prägen immer noch große Steinbrüche, ehemalige Abbauflächen und ausgedehnte Fabrikanlagen die Landschaft um Beckum und Ennigerloh. Allerdings befindet sich der Raum in einem drastischem Strukturwandel, nachdem die Kalksteinförderung und Zementproduktion in ganz Deutschland rückläufig sind.

 

Nachweislich schon im Mittelalter wurden in Beckum die Kalk und Mergellager ausgebeutet. Das Rohmaterial wurde in sog. „Kuhlen“ zumeist von Bauern gewonnen und an Ort und Stelle in einfachen Kalkbrandöfen (Feldöfen) verarbeitet. Sie nutzten dabei die natürliche Besonderheit, dass die Kalkschichten bis zu drei Meter an die Erdoberfläche reichen. Diese Rohstoffvorkommen sind der Grund für die Tatsache, dass seit dem Mittelalter im Raum Beckum Kalk gebrannt wurde.

Bis ins späte 19. Jh. wurde das Material von Hand mit Hacke, Brecheisen und Schaufel abgebaut,und mit Pferd und Wagen zum Werk transportiert, was eine schwere körperliche Belastung für die Steinbrucharbeiter (Steinkühler) bedeutete. Erst später entwickelten sich stärkere mechanische Abbaumethoden, wie Bagger, Einsatz von Sprengstoff und Steinbruchbahn.Durch die Mitte des 19.Jhs. auf den Markt gekommenen „Ringöfen“ konnte die Kalkproduktion qualitativ und quantitativ stark verbessert werden.


Die Entwicklung des Beckumer Kalk- und Zementreviers hängt unmittelbar mit dem rasanten Aufstieg des benachbarten Ruhrgebiets zusammen. Insbesondere die Eröffnung der Köln- Mindener- Eisenbahn(1847), die fast mittig zwischen Beckum und Ennigerloh den Raum kreuzt, beflügelte die Entwicklung. An der Haltestation Werl entwickelte sich rund 50 Jahre später die Gemeinde Neubeckum, heute Stadtteil von Beckum.

 

1872 erfolgte die Gründung des ersten Zementwerks in Beckum. Bis 1915 folgten weitere 29, denen 1927 und 1930 je ein weiteres folgte. Die Zementproduktion erhielt einen weiteren Schub, als 1903 die Westfälische Landeseisenbahn das Revier über Lippstadt mit Warstein verband. So konnte der hier gewonnene Massenkalk mit einem hohen Cacit- Gehalt CaCO3) kostengünstig als Zuschlag zum Beckumer Rohmaterial transportiert werden. Mit 32 Zementwerken im Jahr 1930 erreichte der Bestand sein Maximum: das Beckumer Zementrevier galt als größte „Zementmulde“ der Welt. Während des zweiten Weltkrieges reduzierte sich die Produktion deutlich: waren es 1939 noch 1,7 Mio.t im Jahr, wurden 1945 noch 134 000t hergestellt. Aber bereits 1951 erreichte man Vorkriegsniveau, und weitere zehn Jahre später ( Wiederaufbauphase) lag der Absatz bei 3,7 Mio. t.

Die kapitalintensive Herstellung und allgemeine Wirtschaftsflauten führten aber auch in diesem Industriezweig zu einem Konzentrations--und Umstrukturierungsprozess. Langsam setzten sich große Kapitalgesellschaften durch und übernahmen zahlreich Werke.


Noch bis Mitte des 20.Jhs. war die Zementindustrie überwiegend mittelständisch organisiert. Von den 1962 15 produzierenden Werken waren ganze 10 noch im Familienbesitz.

Heute produzieren gerade noch zwei Zementwerke in Beckum und eines in Ennigerloh Zementklinker .Mit Ausnahme des sich in Privatbesitz befindenden Phönix Zementwerkes Krogbeumker u.Co. KG befinden sich die anderen Beiden im Besitz weltweit agierender Konzerne.

Die wirtschaftliche Bedeutung dieses Industriezweiges ist in der Region zwangsläufig zurückgegangen.Galt die Zementindustrie in den besten Zeiten mit über 2000 Beschäftigten als größter Arbeitgeber in der Region sind heute noch ca. 500 Menschen in Zementwerke beschäftigt.


Quelle: Geographische Kommission für Westfalen